Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Beschlussvorschlag:

Herr Bürgermeister Corsten erläuterte den Tagesordnungspunkt und verwies auf die Stellungnahme der Kommunalaufsicht vom 23.07.2014, die der Einladung als Anlage beigefügt war.

 

Herr Werny monierte im Namen der SPD-Fraktion, dass die Verwaltung nur das Rechtsamt des Kreises Heinsberg als Kommunalaufsicht und nicht den Städte- und Gemeindebund mit den aufgeführten Fragen kontaktiert habe.

 

Herr Corsten erwiderte, dass in der Niederschrift zur Sitzung der Gemeindevertretung vom 09.04.2014 protokolliert sei, das Rechtsamt des Kreises Heinsberg als Kommunalaufsicht oder den Städte- und Gemeindebund zu kontaktieren.

 

Herr Busch merkte ebenfalls an, dass die Kommunalaufsicht und der Städte- und Gemeindebund angeschrieben werden sollten.

 

Als Beweis für das richtige Handeln der Verwaltung las Herr Corsten den Beschluss der Gemeindevertretung vom 09.04.2014 vor, in dem protokolliert wurde, … dass die den beiden Urteilen zu Grunde liegenden Bescheide dem Rechtsamt des Kreises Heinsberg als Kommunalaufsicht oder dem Städte- und Gemeindebund einschließlich des zeitlichen Ablaufs…, vorgelegt werden sollten.

 

Sodann las Herr Corsten den Beschlussvorschlag vor, wonach abschließender Prüfung des Sachverhaltes – auch durch die Kommunalaufsicht – die Anträge der Fraktionen ProSelfkant und FDP auf Erstattung gezahlter Kostenersatzbeträge nach § 10 KAG bzw. Aufhebung der erlassenen Kostenersatzbescheide zurückgewiesen werden, und ließ darüber abstimmen.

 


Sachverhalt:

 

Die Gemeindevertretung hat in ihrer Sitzung am 09.04.2014 die Beschlussfassung zu diesem TOP mit folgender Maßgabe vertagt:

 

Die den beiden Urteilen zu Grunde liegenden Bescheide sollen dem Rechtsamt des Kreises Heinsberg als Kommunalaufsicht oder dem Städte-und Gemeindebund einschließlich des zeitlichen Ablaufs mit der folgenden Fragestellung vorgelegt werden:

 

1.    Liegen Versäumnisse oder fehlerhaftes Handeln der Verwaltung der Gemeinde Selfkant vor die zu Bescheiden geführt haben, die zum Zeitpunkt ihrer Rechtswirksamkeit bei Vermeidung der Versäumnisse oder Fehler zu anderen Bescheiden geführt hätten.

 

2.    Traten innerhalb des zeitlichen Ablaufes, d.h. zwischen Durchführung der Maßnahme und den hieraus resultierenden Bescheiden gravierende Veränderungen in der Rechtsprechung auf, die bei Beachtung zu anderen Bescheiden geführt hätten.

 

3.    Sind Tatsachen zu berücksichtigen, aus denen heraus eine Haftung der Gemeinde für die fehlerhaften Bescheide ableitbar wäre?

Zum Hintergrund:

Die Entwässerungssatzung der Gemeinde Selfkant vom 19.12.2006 in der Fassung der 1. Änderungssatzung wurde in der Gemeindevertretersitzung am 19.12.2006 einstimmig beschlossen und hatte als Grundlage die damalige Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes NRW.

 

In einem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht NRW hat dieses am 26.03.2012 beschlossen, dass sich die Städte und Gemeinden die sog. Ausführungsverantwortung nur im Wege einer satzungsmäßigen Ermächtigung vorbehalten dürfen. Eine Ableitung dieses Eintrittrechtes aus den Vorgaben der Entwässerungssatzung noch aus der sog. Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung – wie in den Mustersatzungen des Städte- und Gemeindebundes NRW vorgesehen – wurde vom Oberverwaltungsgericht NRW nicht mehr als ausreichende angesehen.

 

Das Verwaltungsgericht Münster schloss sich mit Urteil vom 16.01.2013 ebenso wie das Veraltungsgericht Minden mit Urteil vom 30.01.2013 dieser Meinung an.

 

Das Verwaltungsgericht Aachen hat sich bei den gegen die Gemeinde Selfkant anhängigen Verfahren ebenfalls der o.g. Rechtsauffassung des Oberveraltungsgerichts NRW angeschlossen. Dies mit dem Ergebnis, dass die gemeindliche Entwässerungssatzung bzgl. der sog. Ausführungsverantwortung nicht die vom Oberverwaltungsgericht NRW geforderte Form enthält. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichts Aachen führt jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit der gemeindlichen Entwässerungssatzung im Ganzen. Auch die im Abschnitt 4. „Aufwandsersatz für Anschlussleitungen“ (§§ 18 bis 22) der Satzung über die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen, Abwassergebühren und Kostenersatz für Grundstücksanschlüsse in der Gemeinde Selfkant vom 21. März 2013 bleibt hiervon unberührt.

 

Anlässlich dieser Verfahren wurde der Kostenersatzbescheid des einen Klägers aufgehoben und der des anderen Klägers reduziert.

 

 

Anhand des zuvor beschriebenen Sachverhalts ist zweifelsfrei erkennbar, dass die Verwaltung zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide (Birder Straße im April 2013 und Karl-Arnold-Straße im Mai 2013) keinen Anlass hatte, an der Rechtmäßigkeit ihres Handelns zu zweifeln, nachdem der Städte- und Gemeindebund NRW erst mit seiner geänderten Mustersatzung vom 29.11.2013 auf die durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes NRW und diesem folgend weiterer Verwaltungsgerichte in NRW eingetretene Situation reagiert hat.

 

Bezüglich der Kostenersatzbescheide „Dorfstraße“ (Januar 2011) und „Dechant-Kamper-Straße“ (März 2011) sei darauf hingewiesen, dass diese vor dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes NRW  am 26.03.2012  erlassen wurden. 

 

Des Weiteren wird auf die als Anlage beigefügte Stellungnahme der Rechtsanwälte Dr. Wöbker und Partner vom 17.03.2014 verwiesen.

 

Mit dem als Anlage beigefügten Schreiben vom 15.05.2014 (ohne Anlagen) wurde die Kommunalaufsicht des Kreises Heinsberg über den Sachverhalt und die Beschlusslage informiert und um Bewertung des Sachverhaltes und Beantwortung der Fragen gebeteten. 

 

Die Stellungnahme der Kommunalaufsicht vom 23.07.2014  war der Einladung als Anlage beigefügt.

 

Im Kern kommt die Kommunalverwaltung zu der Erkenntnis, dass

1.       grundsätzlich ein Kostenersatz nach § 10 KAG nur dann gefordert werden kann, wenn sich die Kommune im Vorfeld einer kostenauslösenden Maßnahme satzungsrechtlich vorbehalten hat, dies hier nicht der Fall war und von daher eine Kostenersatzforderung objektiv rechtswidrig war,

2.       mit Blick darauf, dass die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes kein subjektives Verschulden eines Verwaltungsmitarbeiters erfordert, die Frage ob bzw. ab wann die Fehlerhaftigkeit der Kostenersatzbescheide bekannt war, dahingestellt bleiben kann,

3.       Eine Verpflichtung zur Rücknahme der Bescheide nicht besteht,

4.       Die Gemeinde die Möglichkeit gehabt hätte - (auch ohne entsprechende Satzung) – die Pflicht der Unterhaltung von Anschlussleitungen gegenüber den Anliegern auf deren Kosten auch im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen,

Die Gemeinde bei rechtmäßiger Abwicklung damit ebenfalls nicht mit Kosten belastet worden. 


Abstimmungsergebnis:                                                                              11 Ja-Stimmen

7 Nein-Stimmen

                                                                                                3 Enthaltungen