Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Sachverhalt:

 

Aufgrund der geringen Schulanmeldungen im Schuljahr 2012/13 werden erstmals Grundschüler aus den Ortschaften Millen und Tüddern am Grundschulstandort Süsterseel  beschult. Damit verbunden ist  eine Schülerbeförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Betroffen sind in diesem Fall sieben Erstklässler. Drei Kinder haben ihren Wohnsitz in der Ortschaft Millen und vier Kinder wohnen in der Ortschaft Tüddern.

 

Die Beförderung der Schulkinder aus den Ortschaften Millen und Tüddern erfolgt mit der Linie 439 der West Energie & Verkehr. Die bisherige morgendliche Anfahrt von Wehr um 7.25 Uhr nach Süsterseel zur  Schule  startet nunmehr wegen der Zusammenlegung der Eingangsklässler der Grundschulen Süsterseel und Tüddern, mit Beginn des neuen Schuljahres um 7.13 Uhr in Millen.  

 

Aufgrund mehrerer Anfragen der betroffenen Eltern der Grundschulkinder bezüglich unzumutbarer Schülerbeförderung ihrer Kinder wurde seitens der Verwaltung  in Zusammenarbeit mit der West Energie & Verkehr versucht, den Linienverkehr auch durch Verlegung der Unterrichtszeiten zu verändern, um die Fahrzeiten zu verringern. Nach Prüfung durch die West Energie & Verkehr war dies jedoch  nicht möglich; lediglich eine Änderung der Haltestellen in Tüddern von der Sittarder Straße zur Grundschule Tüddern (Messweg) wäre möglich.

 

Weiterhin wurde die Möglichkeit geprüft, das Bürgermobil für die Schülerbeförderung einzusetzen. Dies war auch  nicht möglich, da der Bus bereits ab 7.00 Uhr für die Beförderung von Förderschülern aus dem Selfkant eingesetzt wird.

 

Auch der Einsatz des Multibusses war nicht möglich, da zwischen der West Energie

und Verkehr und der Bezirksregierung eine Vereinbarung besteht, dass der Multibus nicht vor 9.00 Uhr eingesetzt werden darf.

 

Rechtliche Würdigung

Schülerfahrkosten sind die notwendigen Kosten für die Beförderung von Schülerinnen und Schülern. Fahrkosten entstehen notwendig, wenn der Schulweg nach § 7 Abs. 1 SchfkVO (Schülerfahrkostenverordnung) in der einfachen Entfernung für die Schülerin oder den Schüler der Primarstufe mehr als zwei Kilometer beträgt.

 

Der Schulträger entscheidet im Rahmen der Verordnung über Art und Umfang der Schülerbeförderung. Ihm obliegt keine Pflicht zur Beförderung (§ 3 SchfkVO)

Die Vorschrift der  Schülerfahrkostenverordnung regelt die Erstattung der Kosten, die dem Schüler für die wirtschaftlichste und zumutbare Art der Beförderung zur Schule und zurück entstehen (vgl. §§ 1,2 SchfkVO). Dabei haben öffentliche Verkehrsmittel grundsätzlich Vorrang vor den anderen Beförderungskosten (Schülerspezialverkehr).

 

Die Eltern der Erstklässler aus den Ortschaften Tüddern und Millen begehren die Beförderung der Kinder mittels Schülerspezialverkehr, da nach ihrer Aussage die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar sei.

 

Gemäß § 13 Abs. 3 der SchfkVO  ist in der Regel die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar, wenn der regelmäßige Schulweg bei Ausnutzung der günstigsten Verkehrsverbindung für die Hin- und Rückfahrt zusammengerechnet über eine Stunde in Anspruch nimmt. Dabei handelt es sich um eine Sollvorschrift, von der der Schulträger aus zwingend schulorganisatorischen Gründen oder besonderen Kostengründen abweichen darf.

 

Im vorliegenden Fall beträgt die Fahrzeit für einen Schüler aus Millen für die Hin- und Rückfahrt 56 Minuten ( 7.13 Uhr  - 7.40 Uhr und 11.54 Uhr  - 12.23 Uhr) Hinzugerechnet wird der Fußweg von der Wohnung bis zur Haltestelle. Es ist somit festzustellen, dass die regelmäßig zumutbare Schulwegdauer von einer Stunde nicht oder nur geringfügig überschritten wird.

 

Diese Überschreitung der regelmäßig zumutbaren Schulwegdauer ist  jedoch  zulässig, da schulorganisatorische Maßnahmen eine örtliche Beschulung nicht zulassen. Für das Schuljahr 2012/13 gab es am Grundschulstandort Tüddern nur sieben Anmeldungen, hierdurch war eine Klassenbildung für den Grundschulstandort Tüddern nicht möglich. Dies machte eine Schülerbeförderung zum Grundschulstandort Süsterseel erforderlich.

 

Für die Zumutbarkeit spricht ferner der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§§ 1 , 13 Abs. 2 SchfkVO) Durch die Einführung eines Schülerspezialverkehrs würden der Gemeinde 11.400,-- EUR zusätzliche Kosten entstehen. Dies würde bedeuten, dass die  sieben Schüler morgens 15 – 20 Minuten später zur Schule befördert würden. 

 

Die hierdurch entstehenden Kosten stehe in keinen Verhältnis und entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben einer wirtschaftlichen Beförderung.

 

Somit ist die Schülerbeförderung gem. § 13 Abs. 3  SchfkVO zumutbar.

 

Alternativen

Die Verwaltung war aber weiterhin bemüht eine wirtschaftlich tragbare  Lösung für die Kinder herbei zu führen. Leider war dies jedoch nicht möglich.

 

Sollte den Elternwünschen entsprochen werden, bleibt keine andere Möglichkeit als die Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs.

 

Hierzu wurde ein Angebot der West Energie & Verkehr eingeholt, welches für eine morgendliche zusätzliche Fahrt für sieben Kinder aus den Ortschaften Millen und Tüddern, Kosten wie bereits beschrieben in Höhe von 11.400,-- EUR verursachen würde.

 

Des Weiteren wurde  bei  verschiedenen umliegenden  Taxiunternehmen  für eine zusätzliche  Schülerfahrt angefragt.

 

Ein Taxiunternehmen  hat aufgrund der vorhandenen Fahrzeuge nur die Möglichkeit sechs Kinder zu befördern, ein weiteres Taxiunternehmen  hat keine freien Kapazitäten für eine zusätzliche Schülerfahrt.

 

Vergleichbare Fälle

Aufgrund des vorliegenden Falles wurde seitens der Verwaltung angefragt, ob es derartige Fälle auch in anderen Kommunen im Kreis Heinsberg gibt. Hierbei wurde festgestellt, dass in fünf von zehn Kommunen im Kreis Heinsberg aufgrund der ländlichen Struktur  gleich gelagerte Fälle vorliegen.  In diesen Fällen wurde auch kein Schülerspezialverkehr eingeführt.

 

Der Ausschussvorsitzende Herr Neiß verwies zunächst auf die umfangreichen Erläuterungen in der Sitzungsvorlage. Darüber hinaus seien die Ausschussmitglieder auch noch von den betroffenen Eltern informiert worden.

 

Herr Dr. Kambartel von der Fraktion Pro Selfkant meldete sich zunächst zu Wort. Er beantragte im Namen seiner Fraktion, dass der Ausschuss den Bürgermeister beauftragen soll, den Eltern die Fahrtkosten in Höhe von 389,87 € - dies entspricht der Höhe der Schülerjahreskarte pro Jahr/Kind - auszuzahlen. So können die Eltern die Beförderung ihrer Kinder selbst übernehmen. Dies sei rechtskonform und die Fahrten seien versichert. Diese Regelung soll bis zum Ende des Schuljahres 2012/2013 zeitlich begrenzt sein.

 

Herr Schwartzmanns erklärte, dass man sich damit einen Präzedenzfall schaffe. Die Gemeinde lege die wirtschaftlichste Art der Beförderung fest und dies erfolge durch die Beförderung mit dem Bus und durch die Ausgabe von entsprechenden Schülerjahreskarten. Bei der Barauszahlung der Beförderungskosten würden die Eltern das Geld evtl. anders verplanen und die Kinder kämen unter Umständen nicht mehr zum Unterricht. Über zumutbare oder unzumutbare Fahrwege gibt es bisher noch keine Urteile.

 

Herr Bürgermeister Corsten machte deutlich, dass die Verwaltung alles geprüft habe, ob eine andere Art der Beförderung mit Bussen oder Taxen in Betracht komme. Dies sei jedoch ohne Verschiebung der Unterrichtszeiten nicht machbar, doch dies führe dazu, dass an anderer Stelle etwas nicht mehr funktioniere. 

 

Von der CDU-Fraktion erklärte Herr Ruers, dass der Sachverhalt sehr problematisch sei. Es habe einen regen Austausch mit der Verwaltung gegeben. Dazu seien zahlreiche Stellungnahmen und Kommentare abgegeben worden. Aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen werde dies in den nächsten Jahren noch des öfteren der Fall sein, dass Tüdderner Kinder nach Süsterseel zur Schule müssen. Nach Meinung seiner Fraktion sei nicht ermessungsgerecht gemäß der vorhandenen Richtlinie gehandelt worden und die Fahrzeit der Kinder deutlich überschritten. Die Lösung sei nicht einfach, um das Gesamtgefüge nicht zu zerstören. Die Kreiswerke ändern zum 01.12. die Fahrpläne, von daher solle die Verwaltung auf die Anpassung der Fahrzeiten  mit der West hinwirken, so dass der Schulweg angemessen sei - auch für die Folgezeit. Darüber hinaus soll eine Lösung für die Übergangszeit geschaffen werden. Viele Eltern haben Probleme ihre Kinder morgens zur Schule und mittags wieder zurück zu befördern. Es müsse schnellstmöglich Abhilfe für die Kinder geschaffen werden. Er beantragte aus diesem Grunde, dass die Verwaltung, die Schulleitung, die Eltern und die West an einem Runden Tisch eine Lösung des Problems finden.

 

Herr Schürgers von der FDP-Fraktion schloss sich den Ausführungen des Herrn Ruers an. Seine Fraktion sehe die Problematik gleich. Man bewege sich am Rande der rechtlichen Vorgaben. Das Programm „Kurze Beine/kurze Wege“ gehe hier leider nicht mehr auf. Längerfristig werde man solche Situationen mehrfach bekommen und müsse ein Beförderungskonzept entwickeln. Er unterstützte den Antrag der CDU-Fraktion.

 

Von Seiten der SPD-Fraktion erklärte Herr Meiers, dass seine Fraktion es ablehne 11.400 € zusätzliche Buskosten für die Grundschüler auszugeben. Die Auszahlung der Fahrtkosten an die Eltern lehne er ebenfalls ab. Rechtlich gesehen sei von der Verwaltung alles geklärt worden und deshalb beantragte er der Beschlussempfehlung der Verwaltung zu folgen.

 

Herr Bürgermeister Corsten wies die Aussage des Herrn Ruers zurück, dass die Verwaltung nicht ermessensgerecht gehandelt habe. Es wurde alles erörtert und die Vorgehensweise mit dem Schulministerium abgestimmt. Die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs liegen nicht vor. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung der Gemeinde und der Schulausschuss habe darüber zu entscheiden.

 

Sodann ließ Herr Neiß zunächst über den Antrag der SPD-Fraktion der Beschlussempfehlung der Verwaltung zu folgen und der Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs nicht zuzustimmen, da

 

  1. die rechtlichen Voraussetzungen der §§ 13, 14 SchfkVO zur Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs nicht vorliegen,
  2. 2. durch einen positiven Entscheid für die Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs ein Präzedenzfall geschaffen werden würde, der die zukünftigen Haushalte mit zusätzlichen Ausgaben belastet,
  3. in vergleichbaren Fällen im Kreis Heinsberg auch kein Schülerspezialverkehr eingeführt wurde.

abstimmen.

 

Abstimmungsergebnis:                                              6 Ja-Stimmen

                                                                                  11 Nein-Stimmen

 

Anschließend ließ Herr Neiß über den Antrag der Fraktion „Pro Selfkant“ abstimmen, der Ausschuss möge den Bürgermeister beauftragen, den Eltern der Erstklässler aus Millen und Tüddern eine Fahrkostenpauschale in Höhe von 389,87 € pro Jahr und Kind anzubieten – dies entspricht den Beförderungskosten für eine Schülerjahreskarte -. Die Bezuschussung soll nur bis zum Ende des Schuljahres gelten.

 

Abstimmungsergebnis:                                              2 Ja-Stimmen

                                                                                  15 Nein-Stimmen

 

Sodann ließ Herr Neiß über den Antrag der CDU-Fraktion abstimmen, vor der Fahrplanänderung der West zum 01.12.2012 einen Runden Tisch mit der Verwaltung, der Schulleitung, den Eltern und der West einzuberufen und auf eine Anpassung der Fahrpläne hinzuwirken. Weiterhin soll für die nächsten sechs Wochen mit den Eltern eine angemessene Übergangslösung gefunden werden. 

 

Abstimmunsergebnis:                                                11 Ja-Stimmen

                                                                                  6 Nein-Stimmen

 

Herr Bürgermeister Corsten merkte an, dass wenn keine Lösung gefunden werde, er den Ausschuss wieder einberufen werde.